Ein

qualifizierter Lehrberuf -

der

Scharfrichter



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Lange Zeit war der

 

Scharf- oder Nachrichter

 

ein Mensch, der das Töten nicht gelernt hatte.

 

Mit dem Auftreten der berufsmäßigen Henker,

das mit der Einführung des Landfriedens zusammenhängt,

ist nicht

vor dem 13. Jahrhundert

zu rechnen.

 

Aus dem Hochmittelalter ist überliefert,

dass ein Übeltäter mit einer Begnadigung rechnen konnte,

wenn er seine Mitgefangenen hinrichten würde.

 

So wurde

Ulrich Styvater,

ein Dieb in Appenzell

unter der Bedingung in Zukunft

als Nachrichter zu dienen,

1404 freigelassen.

 

Im Sachsenspiegel des 13. Jahrhunderts wird der Fronbote, also ein Mitglied des Gerichts, als Vollstrecker der peinlichen Strafen genannt (es waren aber vorwiegend nicht er selber, sondern seine Knechte, die Hand anlegten).

 

Zuweilen kam es vor, dass der jüngste Ratsherr oder der jüngste Schöffe als Nachrichter fungierte.

 

Häufig trat im Mittelalter jedoch auch ein Verwandter des Geschädigten oder der Geschädigte selbst als Henker auf.

 

So musste ein Breslauer Bürger, der 1475 in einer polnischen Stadt bestohlen worden war, den Dieb selbst aufknüpfen.

 

So ging das natürlich nicht weiter. Qualifiziertes Fachpersonal wurde benötigt.

Als nun im 13. Jahrhundert das Nachrichteramt zum Beruf wurde, stellte man zusehends höhere Ansprüche an den Henker.

Um den Anforderungen zu genügen, war eine solide Ausbildung nötig.

Der angehende

Freimann

musste unter anderem lernen, mit einem Schwerthieb den Kopf des Delinquenten vom Rumpf zu trennen, die Gliedmaßen mit dem Rad sachgemäß zu brechen und den Verbrecher so zu hängen, dass der Tod möglichst rasch eintrat.

 

Das zu erlernen, stellte sich für den Scharfrichter als lebensnotwendig heraus.

Misslang eine Hinrichtung, kam es nicht selten vor, dass der dafür Verantwortliche vom aufgebrachten Volk gelyncht wurde.

So geschah es dem Scharfrichter von Chur 1575, dem es wegen Trunkenheit nicht gelang, einen Dieb zu köpfen.

 

Bei der Hinrichtung der zwei vorangegangenen Missetäter hatte er ebenfalls versagt. Er hatte sie einige Mal am Oberkörper getroffen. Als sich der Freimann nun anschickte, das Haupt des dritten Delinquenten abzuschneiden, war das empörte Volk nicht mehr zu halten. Es steinigte den Scharfrichter. Der dabei anwesende Richter griff in Anbetracht der misslungenen Exekution nicht ein. Eine Art der natürlichen Auslese also: nur die besten kamen durch.

 

 

Eine der merkwürdigsten fehlgeschlagenen Hinrichtungen in Tirol

verursachte der

Haller Scharfrichter Othmar Krieger

im Jahre 1663.

 

Der Verbrecher Thomas Hanns wurde wegen mehrfachen Mordes zum Tod durch das Rad verurteilt.

Am 27. Juli 1663 sollte es zur Exekution kommen.

Der Freimann

entkleidete den Mörder bis aufs Hemd,

band ihn auf einen Rost

und begann sein Werk,

indem er ihm zwei Stöße auf den Brustkorb versetzte.

 

Obwohl der Scharfrichter

"unter dessen Herz einen dicken eisernen Nagel gelegt hatte",

um einen schnellen Tod herbeizuführen,

schaffte er es nicht durchzudringen.

Auch als der Sohn des Freimannes den Vater unterstützte,

prallte das Rad jedes Mal vom Körper ab,

ohne größere Verletzungen zu hinterlassen. Weitere Bemühungen, dem Verurteilten das Leben zu nehmen, scheiterten.

Das bei der Hinrichtung anwesende Volk wollte ein Wunder in den Vorkommnissen sehen und stand damit im Gegensatz zur skeptischen Regierung in Innsbruck.

Nach einer Unterredung mit

Othmar Krieger

und der Bitte der Heimatstadt des Missetäters um Begnadigung,

rang sich die Regierung

doch den Entschluss ab,

den seltsamen Verlauf der Hinrichtung als Wunder zu deklarieren

und ließ den mehrfachen Mörder unbehelligt seines Weges ziehen.

 

 

Immerhin:

der Scharfrichter kam mit dem Leben davon.

 

Denn es wurde ja zu einem Wunder deklariert.

 

Und da kommt der beste Scharfrichter nicht gegen an.

 

 

Ein Scharfrichter in Wien kam 1501 nicht so glimpflich davon.

Er wurde von den erbitterten Wienern erschlagen,

weil es zur Enthauptung des verurteilten Delinquenten auch nur eines zweiten Streiches bedurfte.

 



Aber bedenkt: so einfach ist das nun auch wieder nicht, den Kopf mit freier Hand zwischen zwei Halswirbeln hindurch mit einem Streich vom Rumpf zu trennen: der Scharfrichter braucht dazu Kraft, die er nur bekommt, wenn er ordentlich ausholt, was das Zielen natürlich erheblich erschwerte.

In der Henkersfamilie begann die Ausbildung schon sehr früh. Manche legten ihre Meisterprüfung, meist in einer ordnungsgemäß durchgeführten Enthauptung bestehend, schon mit 16 Jahren ab. Die Lehre war streng und umfassend. Das machte intensives Training nötig. Learning by doing - und zwar an Versuchskaninchen. Taugliche Objekte waren Tiere, vor allem Kälber und Hunde.

Die Tätigkeit des Freimannes beschränkte sich nicht nur auf das Hinrichten der Sünder, er musste auch im Stande sein eine ordentliche Folterung so durchzuführen, dass der Verurteilte nicht unter seiner Hand das Leben aushauchte. Auch wurde vor einer peinlichen Befragung der Scharfrichter zur Konstitution des Übeltäters befragt. Der Züchtiger hatte hier die Aufgabe zu beurteilen, ob die Person die Folter überhaupt überstehen konnte. Vor jeder Tortur musste der Richter ein Protokoll aufsetzen lassen, dass dem Henker vorschrieb, den Delinquenten auf seine körperliche Tüchtigkeit zu untersuchen.

Bei Verstümmelungsstrafen hatte der Henker dafür zu sorgen, dass die Wunde nach Vollstreckung der Urteile verbunden wurde. Schließlich bedeutete die Strafe "Hand ab" oder "Ohr ab", dass der Verurteilte eben nur eine vergleichsweise leichte Straftat begangen hatte, die keine Todesstrafe rechtfertigte. Wenn dann darf der Verurteilte nach der kleinen Züchtigungsstrafe ja schließlich nicht verbluten. Zumindest im 18. Jahrhundert war es dem Scharfrichter ausdrücklich vorgeschrieben, dass er eine Heilsalbe mitzubringen und dem Verstümmelten die Wunde zu verbinden hatte.

Das Anforderungsprofil an den Henker war also umfangreich: er musste eine ganze Menge über die menschliche Anatomie wissen (was ihm bald einen völlig neuen Berufszweig eröffnete: dem des Chirurgen), er musste handwerkliches Geschick mitbringen und er musste auch eine ausgezeichnete Konstitution haben. Es wurde nicht jeder genommen. So bewarb sich Hanns Pöltl 1698 als Nachfolger seines Vaters Kaspar, und obwohl er bei seinem Vater in der Lehre war, wurde ihm das angestrebte Amt von der Regierung verwehrt, da er ein unruhiger, untauglicher Mann gewesen ist. Einen Bauernhof kann man erben, und der Sohn des Schmieds wird garantiert wieder Schmied. Aber für qualifizierte Berufe braucht man wirklich qualifiziertes Personal.

Über die Tauglichkeit des Bewerbers entschied seine Ausbildung und das Meisterstück. Als sich der Sohn des Haller Scharfrichters Johann Jakob Abrell um eine Meisterstelle in Meran bewarb, musste er zunächst sein Meisterstück bei drei Probehinrichtungen in Innsbruck und Bozen nachholen. Nach der erfolgreichen Ablegung de Meisterstückes bekam der junge Abrell seinen Meisterbrief und hatte somit seine Ausbildung abgeschlossen.

Dass ein Freimann, der nicht zur Zufriedenheit der Regierung arbeitete auch nicht im Amt behalten wurde, beweist das Beispiel des Andre Pänhaupt. Weil er einem Dieb, den er eigentlich hängen sollte, die Gurgel mit dem Messer durchschnitt, nachdem dieser vom Galgen gefallen war, war er 1694 mit drei Tagen in Eisen auf dem Rathaus und dreißig Stockhieben bestraft worden. Als sich dann noch die Anschuldigungen häuften, er hätte seine Frau zu Tode geprügelt, wurde der Freimann entlassen.